Die drei Juffern von Morken/Geilenkirchen


von Sophie Lange

In: S. Lange: Wo Göttinnen das Land beschützten

(In Morken - Harff bei Bedburg wurden 1958 über 500 Matronenbruchstücke gefunden. Dort hat man sich in einer Juffernsage, die sieben Jahre vor den Funden veröffentlicht wurde, an den ursprünglichen Sinn der Opfergaben für die Wesen der Natur erinnert. Sobald regelmäßig ein Opfer gebracht wird, ergießt sich der Segen über Haus und Hof.
Die Orte Morken und Harff wurden dem Braunkohleabbau geopfert. In der Sage scheint es fast so, als ob die Juffern ahnen, dass ihr Schutzgebiet bedroht ist.)


Abend war es. Der Nebel stieg aus den Wiesen, wallte und wogte wie weiße Schleier und hob und senkte sich wieder in seltsamen Gebilden. Das Mondlicht schimmerte silbern auf den Wassern der Erft und breitete sich mild über die stille Landschaft. Da schritt ein Bauer, von Frimmersdorf kommend, längs der Erft eilends auf Morken zu. Ab und zu rauschten die Wasser des Flusses murmelnd auf, und im Gras, das seine Füße streiften, regte sich traumschwer erwachtes Getier. Dem Mann schien die vertraute Landschaft so weit und einsam wie nie zuvor. Nur die Nebel wallten und wogten, hoben und senkten sich in seltsamen Gebilden.

Matronensteine bei Nacht auf dem Matronentempel Nettersheim

Bild: Matronensteine bei Nacht auf dem Matronentempel Nettersheim

Plötzlich sah der Wanderer in einiger Entfernung drei verhüllte Frauengestalten. Was taten die Frauen auf dem einsamen nächtlichen Weg, so weit noch vom Dorf? Da bemerkte er, dass die eine die Arme hob und wie segnend – oder bittend? – breitete. Weiterschreitend dünkte es dem Mann, die Gestalten seien Nebelgebilde. Aber sie blieben am Weg, wichen nur etwas zur Seite. Als er näher kam, hoben nun alle drei mit heftigen Bewegungen die Arme und winkten ihm schweigend zu. Es schien dem Mann immer mehr, als liege ein banges Flehen in ihren Gebärden, und dann sah er, dass die Gestalten manchmal einander stützen mussten wie Menschen, die von einem weiten Weg ermüdet sind. Da dauerte es den Mann, dass er weder Brot noch Milch oder Obst oder andere Labung bei sich hatte, und er ging in verlegenem Schweigen vorüber. Künftig werde er - so nahm er sich in einer plötzlichen Aufwallung vor - auf dem Tisch vor seinem Haus abends einen Krug mit Milch und ein Stück Brot bereitstellen, dass die, die noch wandern mussten, wenn andere schon ruhten, auch des Nachts bei ihm eine Labung fänden; und wie unsinnig ihm dieser Vorsatz später auch manchmal erscheinen mochte, er hielt ihn getreu bis zum Tode.

Nach der Begegnung mit den drei seltsamen Frauen ging der Bauer nachdenklich weiter. Es war ihm ganz eigen zumute, so als müsse er jetzt inmitten der nächtlichen Landschaft sein augenblickliches Leben und Schaffen überdenken. Nichts stach als Besonderes aus dem Ablauf seiner Jahre hervor. Ein Tag reihte sich, mit Arbeit angefüllt, an den andern, ab und zu von einem frohen Fest unterbrochen, auf das man sich dann lange freute. Er hatte ein gutes und fleißiges Weib und einen Besitz, der seinen Mann ernährte. Emsig schaffen musste er zwar, aber er arbeitete gern. Nur fehlte ihm und seiner Frau das, was sie seit zehn Jahren vergebens erhofften: der Kindersegen.

Opfergaben im "Heidentempel" bei Nöthen/Pesch

Bild: Opfergaben im "Heidentempel" bei Nöthen/Pesch

Am anderen Morgen erzählte der Bauer seiner Frau von der seltsamen nächtlichen Begegnung und dem unterwegs gefassten Vorsatz. Verwundert lauschte die Frau, doch war sie bereit, diesen Vorsatz mitzuerfüllen. Hinfort stand allabendlich vor des Bauern Haus ein Krug Milch und ein Stück Brot für hungrige nächtliche Wanderer bereit. Und seltsam war’s, jeden Morgen war der Krug leer und das Brot verschwunden und ein Apfel lag auf dem Tisch, obwohl lange Zeit keiner vom Gesinde von der bereit gestellten Wegzehrung wusste, also auch keiner sich einen üblen Scherz damit erlauben konnte. Noch seltsamer aber schien es dem Mann, dass sein Garten und seine Felder seit jenem Tag reichere Frucht brachten als je zuvor, und auch seine Frau war anders geworden, war von jenem Tage an wie umgewandelt und so heiter und fröhlich wie früher als Mädchen. Als dann das für die beiden so Beglückende sich wirklich erfüllte und nach Monaten ein Kind in der Wiege lag, war auch der Bauer von tiefer Freude erfüllt. Und wenn er später mit seiner Frau von dieser Zeit und dem sich seither mehrenden Segen in Feld und Haus sprach, so erinnerte er sie immer an die Begegnung mit den drei stillen Gestalten und daran, wie er den Vorsatz gefasst, allabendlich für nächtliche Wanderer eine Wegzehrung bereit zu stellen.


Quellenangabe: M. Cremer: Was sich die Leute an der Erft erzählten. In: Erftbote 1951

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Die Haihover Juffer von Geilenkirchen

Foto: Bärbel Mingers
Foto: Bärbel Mingers



In Geilenkirchen treffen wir -etwas außerhalb des Jufferngebietes (Eifel, Eschweiler, Jülicher und Dürener Land) – auf eine Juffer (Jungfer, Jungfrau) , die nach einem nahen, längst aufgegebenem Hof, dem Haihof, die Haihofer Juffer genannt wird.

Die Überlieferungen scheinen zunächst eher eine Hexengeschichte als eine Juffernsage anzudeuten: Eine Tochter eines Haihofbauern lebte nach dem Tod ihrer Eltern alleine auf dem Landgut. Sie hatte sich Hexenkulten und schwarzer Magie zugewandt. In einer Osternacht huldigte sie dem Teufel mit einem ekstatischen Tanz, der wohl etwas zu stürmisch ausfiel, denn das Mädchen stürzte dabei in die „wilde“ Wurm. Sie ertrank in den Fluten des Flusses, aber ihre Seele fand keine Ruhe und so irrte sie in Zukunft Nacht für Nacht als weiße Dame durch die Wurmauen.

Nun werden ruhelose Hexen in der Regel nicht zu weißen Damen und in feuchten Wiesen und in der Nähe von Flüssen tummeln sie sich auch nicht. Da scheint hinter der Geschichte vom Bauernmädchen doch eine ältere Sage von einer „wissen Juffer“ zu stecken. Es wird auch erwähnt, dass die Wurm stets von wallendem Nebel eingehüllt ist , und der Nebel ist ebenfalls ein Rückzugsgebiet für Juffern, die oft als geheimnisvolle Nebelgestalten erscheinen.

Dass die Haihover Juffer ein Nachtgespenst ist, zeigt folgende Sage: „Als ein Bauer aus Teveren nach einem feucht fröhlichen Abend sich um Mitternacht auf den Heimweg machte, erschien ihm an den Wurmauen in einer Sturmböe eine weiße Dame. Sie packte ihn mit ihren dürren Krallenhänden und wirbelte ihn in rasendem Tempo im Kreis, geradewegs auf den Fluss zu. Der Bauer rief in Todesangst Jesus, Maria und Josef um Beistand an und blitzschnell verschwand die Spukgestalt. Der Bauer fand sich in einem Weidenstrauch wieder und hechtete auf schnellstem Weg nach Hause. Andere Nachtschwärmer sollen bei mitternächtlichen Begegnungen mit der Haihover Juffer nicht so glimpflich davongekommen sein.“

Damit die Haihover Juffer in Geilenkirchen nicht vergessen wird, wurde von der Stadt Geilenkirchen eine Bronzeplastik von Bonifatius Stirnberg in der Gerbergasse aufgestellt. Die als Springbrunnen tätige Dame gleicht sowohl einer Juffer als auch einer Hexe. Besonders die krallenartigen, Wasser speienden Finger haben etwas Hexenartiges an sich. Irgendwann in den heimischen Stuben scheinen sich die beiden Sagengestalten sich vermischt zu haben.

Erstmal für eine sagenhafte Juffer ist es, dass um sie prozessiert wurde. Es ging um einen Urheberrechtsstreit. Doch die Gewinnerin war schließlich die Haihover Juffer von Geilenkirchen, sie durfte ihren Platz behalten. Denn sie hat im Laufe der Geschichte manche Querelen überdauert und wenn sie nicht letztendlich doch den Geist aufgegeben hat, geistert sie noch immer in den Wurmauen umher.