Der Matronentempel in Zingsheim


von Sophie Lange

Auszug aus dem Buch "Wo Göttinnen das Land beschützten"

Im Königsfelder Tal im Weyerer Wald, im sogenannten Paradies, entspringt der Feybach, der im Volksmund die Fey genannt wird. Als solche ist sie die gute Fee der Quelle, des Baches und der Siedlungen am Bachverlauf. In den Sagen hat die Fey ihren Wohnsitz oberhalb der Quelle in einem Felsen. Sie beschützt den dortigen Wald, dessen Ruhe ihr heilig ist, und hat besonders die Tiere in der Sagenwelt unter ihre Fittiche genommen. Manchmal verwandelt sie sich in ein Tier, entweder in eine Häsin oder in ein Reh.

An dem Bachverlauf haben sich - wie der Volksmund sagt - die sieben Töchter der Fey angesiedelt: Urfey, Eiserfey, Feyermühle, Burgfey, Katzvey, Satzvey und Burg Veynau. Von ferne kann die Fey die Zyklopenburg (Kakushöhle) grüßen. Nachdem sie den Mechernicher Wald und ihr bevorzugtes Spukgebiet, den Hombusch, durcheilt hat, tauchen die Katzenköpfe (Katzensteine) bei Katzvey auf, an denen in der Tat 'monumentale Kopfformen des geliebten Haustieres' zu erkennen sind. Bei Satzvey streift die Fey kurz das Gebiet der vacallinehischen Matronen, zwängt sich dann bei der Burg Veynau durch den Billiger Wald und mündet, nachdem sie Wisskirchen und Euenheim passiert hat, im Norden Euskirchens in die Erft.

Die Katzensteine

Katzensteine bei Katzvey / Mechernich


Doch zurück zu den Katzensteinen, diesem ungewöhnlichen Felsen zwischen Mechernich und Satzvey. Hier haben bereits die Römer Sandsteinplatten abgebaut, die wahrscheinlich für Steinsärge verwendet wurden. Aus den dortigen Quadersteinen wurden Altarsteine hergestellt. Das Material für manchen Matronenstein wird aus den Katzensteinen herausgeschlagen worden sein. In der Nähe des Rotsteinfelsen fand man Weihesteine an die Göttin Diana. Aus den Inschriften geht hervor, dass im ersten Jahrhundert n. Chr. dort ein kleiner Dianatempel gewesen ist. (Neuere Ausgrabungen belegen an dieser Stelle eine Verehrung der Matronen.)

Die Grundform des Wortes Fey ist eine keltische Bacina, die Eilende, die sich zu Facina entwickelte. Diese Namensform finden wir auf Matronensteinen (Fachinehae) wieder, die jedoch nicht in unmittelbarer Nähe der Fey, sondern bei Zingsheim, etwa fünf Kilometer südöstlich der Feybachquelle, ans Tageslicht kamen.


Gleisiger Heck


1895 wurde erstmals über Funde von Matronensteinen an die Göttinnen aus Zingsheim berichtet. Bei Feldarbeiten westlich des Ortes am Maulbeerbäumchen (spätere Bezeichnung Gleisiger Heck), südlich des Willenbergs, war man auf Gräber gestoßen. Bei zwei der nach Osten und Westen ausgerichteten Grabstätten fanden sich Matronen-Inschriftensteine, die in Zweitverwendung als Grabwandung gedient hatten. Die Steine waren stark beschädigt und anscheinend auf ein bestimmtes Maß zurecht geschlagen worden. Die Inschriften nannten Bauern aus einer nahen Siedlung als Stifter.

Der eine Matronenstein (44 cm hoch, 49 cm breit) hatte als Deckplatte gedient. Oben auf der Bedachung war ein Teller oder Kranz abgebildet, an beiden Seitenflächen war je ein Lorbeerbaum eingemeißelt. Die Inschrift ergänzte man auf Matronis Fachinehis Flavius Communis et Gaius.

Der zweite Weihestein (50 cm hoch, 50 cm breit) bestand wie der erstgenannte aus dem roten in der Eifel vorkommenden Sandstein. Oben auf dem Altar war wieder ein Teller oder Kranz erkennbar, an den Schmalseiten waren Bäume abgebildet. Mit diesem Votivstein hatte ein Crispinius ein den fachinehischen Matronen gegebenes Gelübde für sich und die Seinen voller Dankbarkeit eingelöst.

Vor Hirschberg


Fast siebzig Jahren nach diesen Funden, im Jahr 1960, machten die fachinehischen Matronen in Zingsheim wieder auf sich aufmerksam. In der Flur Vor Hirschbergschnitt man bei Bearbeitung eines Ödlandstreifens römische Baureste an und stieß auf Kalk- und Sandsteinbrocken mit Resten von Inschriften und Ornamenten. Die Vermutung, dass es sich hier um ein Matronenheiligtum handele, wurde bei Ausgrabungen im Sommer 1963 bestätigt. Den Beweis, dass sich die Archäologen in einem Heiligtum befanden, lieferten Bruchstücke und Inschriftenreste, die zeigten, dass dieses Tempelchen den fachinehischen Matronen geweiht war.

Der gallo-römische Tempel von rechteckiger Gestalt bestand aus einer Cella (2,60 x 3,40m), die von einem säulengestützten Umgang umgeben war. Die Lage des Eingangs konnte man nicht bestimmen und so öffnete man bei der Rekonstruktion den Tempel nach Südosten. Für eine flache Verdoppelung der Umgangsmauer, die sich an der Ostseite zeigte, fand sich keine Erklärung (evt. Schwelle und Eingang).

Matronentempelchen "Vor Hirschberg"/Zingsheim


Von der Fundstelle heißt es in einem ersten Grabungsbericht: "Das ganze Gelände ist ziemlich naß. Weiter nördlich liegt die Quelle, die heute Gut Hirschberg mit Wasser versorgt, und wenig östlich der römischen Bauwerke floss bis vor einigen Jahren in einer flachen Mulde eine weitere Quelle. Sie wurde inzwischen trockengelegt."

Im Landschaftsbild liegt die Fundstelle südwestlich von Zingsheim etwa auf halbem Wege zwischen den Tempelbezirken von Nettersheim und Pesch. Bei Betrachtung der Lage dieser drei Matronentempel auf einer Landkarte kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese drei Tempel eine Einheit bilden und das Gruppenbild der Matronen widerspiegeln: Zwei große Tempel nehmen einen kleinen Tempel in ihre Mitte, so wie die beiden Matronen ihre jungfräuliche Göttin beidseitig einrahmen. (s. Bericht "Kultpfade ..." und "Kultlinien ...")

Fundmaterial


Die Ausgrabung legte nur Ausschnitte eines größeren Kultbezirkes frei. Für möglich hielt man es, dass es einen hölzernen Vorgängerbau gegeben hatte. Den Tempel aus Stein datiert man ins 2. bis 4. Jahrhundert. Auffallend ist folgendes: "Eigentümlich im Vergleich zu ähnlichen Anlagen ist, dass der verhältnismäßig kleine Tempel offensichtlich von einem weiten freien Platz umgeben war. Erst etwa 30 m nordwestlich des Tempels stießen wir wieder auf Gebäudereste."

Von den weiteren Funden des Tempelbereichs ist eine steinerne Birne erwähnenswert, die sich von einem Weihealtar oder einem Füllhorn losgelöst hatte sowie der Torso einer kleinen weiblichen Figur. Die stehende Frau hält einen Gegenstand vor dem Körper, der am ehesten ein Korb mit Früchten sein kann. Von den Möglichkeiten opfernde Frau oder Göttin hielt man die Göttin für wahrscheinlicher.

Nicht eindeutig einzuordnen war auch ein eindrucksvoller Mädchenkopf: "Ein etwa vierjähriges Mädchen hat lächelnd sein Lockenköpfchen nach rechts geneigt und blickt nach oben. Das lange gewellte Haar, das von einem Blütenkranz umwunden ist, fällt in dicken Strähnen auf die rechte Schulter und löst sich durch die Neigung des Kopfes von der rechten Wange. Die Stirn ist rund und niedrig, das Näschen kurz und breit, die Backen sind prall von kindlichem Lächeln." Hier stellte sich die Frage, ob dieser Kopf zu einem Grabdenkmal gehöre oder das Kind den göttlichen Müttern zuzuordnen sei. In den wissenschaftlichen Überlegungen siegte schließlich das Grabdenkmal.

Im Frühjahr 1975 wurde der Zingsheimer Tempel erneut freigelegt und restauriert. Neue Funde waren spärlich. Doch dafür wurden Archäologen wieder in dem bekannten fränkischen Gräberfeld an der Gleisiger Heck fündig. Bei der Aufdeckung von Gräbern aus dem 7. Jahrhundert wurden zwei Weihesteine an die Fachinae gesichert. Der größte Altar aus leicht rötlichem Sandstein lag als Abdeckplatte mit der Inschrift nach unten, ein kleineres Altärchen hatte als Fundament für eine Seitenplatte gedient. Die Inschriften waren die üblichen. Lucius Chuaciionius Primus und Lucius Celeris hatten den Schutzgöttinnen ihrer Heimat ein Denkmal gesetzt.

Man war sich sicher, dass diese Weihesteine zu dem Heiligtum Vor Hirschberg gehörten und stellte dort eine Kopie des Celeris-Steins auf.



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