Christentum

Fides, Spes, Caritas - Weilerswist
Fides, Spes, Caritas - Weilerswist

Die Urreligionen waren durch die Personifizierung der göttlichen Naturmächte im Laufe von Jahrhunderten zu einem vielgestaltigen, kaum noch überschaubaren Götterhimmel ausgeufert. Die Römer hatten durch die Ausdehnung ihres Reiches zahlreiche „barbarische“ Gottheiten in ihre bereits große Götterfamilie aufgenommen und verfügten nun neben ihren großen Staatsgöttern über unzählige kleine Sippen- und Familiengötter. Völlig unverständlich war es ihnen, dass das jüdische Volk nur einen einzigen Gott verehrte und sich weigerte, diesen Gott anderen Gottheiten gleichzusetzen.
Auch die Gotteslehre eines Messias hätten die Römer akzeptiert, wenn diese andere Götter toleriert hätte. Dass Jesus gekreuzigt wurde, hatte allerdings wenig mit seiner Lehre zu tun, sondern mehr mit der Angst der Römer, dass dieser vom Volk geliebte und verehrte Prophet zum König im römisch besetzten Palästina ausgerufen würde. Auch die Verfolgung der Christen wurde nicht wegen deren Glauben ausgelöst, sondern wegen ihrer Missachtung römischer Gesetze.
Im Jahr 312 ließ Flavia Julia Helena, die Mutter des römischen Kaisers Konstantin I., sich christlich taufen und beeinflusste die Einstellung ihres Sohnes zu der neuen Lehre. Im Jahr 313 gewährte dieser im sogenannten Toleranzedikt von Mailand den Christen die volle Freiheit des Bekenntnisses und der Verkündigung. 380 erklärte Kaiser Theodosius das Christentum zur offiziellen Reichsreligion.
Die den Christen gewährte Toleranz vergalten diese allerdings mit Intoleranz gegen die alten Religionen. Die alten Kulte, die sicher einer Reform bedurften, bekamen keine Möglichkeit zur Neuorientierung, sondern wurden vernichtet. Mit Unterstützung der Kirche ging Kaiser Theodosius rigoros gegen Andersgläubige vor. Es gab nur noch Christen und Nichtchristen, Gläubige und Ungläubige. Die „Ungläubigen“ wurden bald nur noch abfällig „Heiden“ genannt. Die Herkunft dieses Wortes ist umstritten. Es wird abgeleitet sowohl vom griechischen Wort éthnos = fremdes Volk, als auch vom germanischen haipio = Heide, unbebautes Land, Waldgegend. Der letzten Deutung zufolge wären „Heiden“ Menschen, die ihres alten Glaubens wegen verfolgt wurden und in die Heiden fliehen mussten.
Vielen religiösen Weltanschauungen stand das Ende bevor. Besonders die alten Göttinnenkulte fielen dem christlichen Kaisertum zum Opfer. Der seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. bestehende riesige Artemistempel in Ephesos wurde 380 n. Chr. aufgelöst. Für die Tempel der Muttergöttinnen verfügten die römischen Behörden die Schließung. Besonders die weitverbreitete Verehrung der ägyptischen Isis und der kleinasiatischen Kybele war den Christen ein Dorn im Auge. Die Mysterienkulte mit ihren geheimen Riten wurden erbittert bekämpft.
Im Rheinland gab es über mehrere Jahrhunderte hindurch Auseinandersetzungen zwischen dem „Heidentum“ und dem Christentum. Die Bevölkerung hielt an den tiefverwurzelten Grundwerten der alten Religionen fest. Noch zur Zeit Konstantins wurde der Großen Göttermutter in Neuß ein Tempel gebaut. Der Altar der „Isis mit den zehntausend Beinamen“ am Platz der späteren Friedhofskirche St. Gereon in Köln ist noch nach 345 n. Chr. für Opfer benutzt worden.
Nach 350 setzte sich in den Städten das Christentum immer mehr durch. In den Hauptstädten an Rhein, Mosel und Maas entstanden größere christliche Gemeinden. Köln, Trier und Tongeren wurden erste Bischofssitze. Christliche Begräbnisstätten und kleinere Märtyrerkirchen entstanden u.a. in Bonn, Aachen und Birten bei Xanten.
In den abgelegenen Berggegenden der Eifel bewahrte das Heidentum noch bis zum Ende des 4. Jahrhunderts seine alten Opferstätten. Der „Heidentempel Pesch“ erlebte nach 330 seine Blütezeit und bestand bis etwa zum Jahr 400. Zu welchem Zeitpunkt das Christentum sich bis in die entlegensten Gegenden ausdehnte, ist ungewiss, denn mit dem Verfall des Römischen Reiches und mit dem Beginn der Völkerwanderung endet jede Überlieferung durch Schriften und Denkmäler. Gräberfelder der Franken lassen durch fehlende Beigaben erkennen, dass die Menschen erst nach 700 das Heidentum aufgaben und Christen wurden. Durch die „Gewaltmaßnahmen“ Karls des Großen (742–814) „obsiegte“ schließlich das Christentum im gesamten Frankenland.
Doch auch als Christen ließen sich die Menschen ihre tradierten religiösen Bräuche und Riten nicht verbieten. So blieb dem Christentum, das sich auf dem Weg zur Weltkirche sah, nichts anderes übrig, als heidnische Praktiken zu integrieren. Die Kulte der Muttergöttinnen flossen in abgewandelter Form in die Verehrung der „Mutter Gottes“ ein, als welche Maria seit dem dritten Ökumenischen Konzil im Jahr 431 in der alten Göttinnenstadt Ephesus abgehalten– verehrt wurde. Maria wurde auch als heilige Dreifaltigkeit verehrt, denn sie war Tochter, Braut und Mutter Gottes. Die „Mutter dreimal wunderbar“ war aber auch die würdige Mutter der ganzen Menschheit. Göttliche Sexualität und frauliche Macht wurden jedoch bei der Marienverehrung immer mehr herabgesetzt und der christlichen Vorstellung von jungfräulicher Keuschheit und fraulicher Demut angepasst. Der Mond wurde nun als Sinnbild der überwundenen Göttin zu Füßen Marias abgebildet.
Auch von den alten Kultplätzen wollten die Menschen nicht lassen. So gab Papst Gregor der Große (589-604) die Anweisung, die Heidentempel nicht zu zerstören, sondern in christliche Kirchen umzutaufen: „Man besprenge mit Weihwasser die Tempel, man errichte Altäre und lege Reliquien hinein. Denn sind jene Kirchen gut gebaut, so muss man sie vom Götzendienst zur wahren Gottesverehrung umschaffen, damit das Volk, wenn es sieht, dass seine Kirchen nicht zerstört werden, von Herzen den Irrglauben ablege, den wahren Gott erkenne und so lieber sich an den Stätten versammle, an die es gewöhnt war.“23 So stehen viele große Kirchen wie das Aachener und Bonner Münster auf alten Kultplätzen. Auf dem Land haben Dorfkirchen, Kapellen, Bildstöcke und Wegekreuze die ehemaligen heidnischen Heiligtümer ersetzt.
Auch die Verehrung der Matronen-Göttinnen ließ sich nicht ersatzlos abschaffen. Als Heilige lebten diese im Volk weiter, häufig in Dreierform, allerdings nicht als zwei machtvolle Mütter und eine junge Göttin, sondern als drei keusche Jungfrauen. Im Dom zu Worms zeigt ein Relief aus dem 15. Jahrhundert die drei jungfräulichen Bauernheiligen Einbede, Warbede und Wilbede, deren Kult aus vorchristlicher Zeit stammen soll. Die drei „Beden“ werden im süddeutschen Raum als Spenderinnen von Segen und Fruchtbarkeit um Schutz und Hilfe angerufen. Ihre Namen werden mit Erde, Sonne und Mond in Verbindung gebracht. Die Silbe „bede“ wird mit „beten“ gleichgesetzt; „zu den Beden gehen“ meint also die Verehrung der Göttinnen.
Ebenfalls unter anderen Bezeichnungen waren die drei heiligen Jungfrauen bekannt, zum Beispiel als die drei Marien unter dem Kreuz Jesu: Maria als Mutter Jesu, Maria Magdalena und Maria Kleophas. Verehrung fanden sie auch als drei heilige Madel: Barbara, Margaretha und Katharina, die einzigen heiligen Frauen unter den vierzehn Nothelfern. Wenn diese heiligen Frauen zwar nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil aus dem Heiligenkalender gestrichen wurden, so werden sie im Volksglauben doch als Nothelferinnen weiterhin verehrt.
Im alten Ubierland übernahmen Fides, Spes und Caritas die Stelle der Matronen. Diese Heiligen wurden als „theologische Personifikationen“ der drei göttlichen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe eingesetzt. In der Heiligenlegende ist die heilige Sophia die Mutter der drei Jungfrauen, die in Rom unter Kaiser Hadrians Regierung (117-138) den Märtyrertod durch Enthauptung erlitten haben sollen. Dass Sophie, die weiblich-göttliche Weisheit, die kirchlichen Haupttugenden „bemuttert“, erscheint gesucht und künstlich. „Man merkt, dass damit eine bereits bestehende Verehrung erklärt und in den kirchlichen Bereich übernommen werden soll.“24
Die drei heiligen, wesensgleichen Schwestern werden als Schützerinnen der Frauen betrachtet. Sie verleihen Eheglück und Fruchtbarkeit und helfen Gebärenden. Ebenfalls werden sie bei Kinderkrankheiten angerufen. Im Volksmund wurden sie Pell-, Schwell- und Krieschmerge genannt und sollten als Marien (Merge) bei Hautkrankheiten (Pell), bei Gliederanschwellungen (Schwell) und bei Weinerlichkeit (Kriesch) helfen. Im Einzelnen galten die drei Heiligen als „segenspendende Jungfrauen, Nothelferinnen, Guttäterinnen, Beschützerinnen des menschlichen Lebens, Heilrätinnen, Pestpatroninnen und Spenderinnen von Fruchtbarkeit für Mensch und Erde.“25
Verehrt wurden die drei Jungfrauen besonders vom Volk, nicht so sehr in Pfarrkirchen, eher in Filialgemeinden und in Privatkapellen. Sie waren Volksheilige wie die Matronen Volksgöttinnen gewesen waren. Manche Drei-Jungfrauen-Orte entwickelten sich zu Wallfahrtsorten, so zum Beispiel Thum bei Nideggen, Kalterherberg bei Monschau und Weilerswist im Kreis Euskirchen.
Die Verehrung von drei Frauen ist weiterhin aus der Kapelle des Gutes Frauenrath bei Jülich überliefert. Als die Kapelle 1871 abgebrochen wurde, wurde die Verehrung nach Dürboslar übertragen.26
Das „Dreijungfernfest“ hat man auf den 1. August festgelegt, eines der alten keltischen Jahreszeitenfesten: Lugnasad, das Fest vor der Ernte (Schnitterfest). Es ist der Gegenpol zum 1. Februar, dem keltischen Imbolc, dem Fest des beginnenden Frühlings und der großen Göttin Brigid, die ebenfalls in dreifacher Form verkörpert wurde. Im katholischen Festkalender feiert die Bauernheilige Brigitta am 1. Februar ihren Namenstag, ein Tag später folgt der Maria-Lichtmess-Tag.
Das älteste Beweisstück für die Verehrung von Fides, Spes und Caritas ist ein Bleisiegel des Kölner Erzbischofs Pilgrimus (1029-1036), das 1864 im Altar der Pfarrkirche in Bettenhoven bei Jülich gefunden wurde. Auf der Rückseite zeigt das Konsekrationssiegel die drei Jungfrauen und eine Inschrift, die frei übersetzt „Gegenstand der frommen Verehrung in Köln“ lautet. Der Nachfolger dieses Erzbischofs hat ein Siegel mit der gleichen Darstellung benutzt. Der Dreijungfrauenkult muss also zu dieser Zeit eine große Bedeutung in Köln gehabt haben.27
Im 9. Jahrhundert tauchen die drei Jungfrauen in einer Litanei von Münstereifel auf. Vom 11. bis 13. Jahrhundert melden sechs Kalender von Köln, Aachen und Xanten den Festtag von Fides, Spes und Caritas. Ein Bild aus dem Mittelalter in der Agneskapelle des Kölner Doms zeigte die drei Schwestern gemeinsam mit der heiligen Kümmernis und dem gekreuzigten Jesu (nicht mehr ausgestellt). Alt überliefert ist der Kult von Fides, Spes und Caritas in Thum. Hier erzählen viele Sagen von den Jungfrauen, den Juffern. Um 1200 ist für Weilerswist die Verehrung von Fides, Spes und Caritas nachgewiesen. In Sistig (Kall) erinnert eine Inschrift in der Kirchenwand an die Verehrung der drei heiligen Schwestern. In Kalterherberg (bei Monschau) ist die Verehrung von Fides, Spes und Caritas alte Tradition. Die Drei-Fische-Tierkreisbilder in der Basilika St. Gereon in Köln und in der Kirche von Wormbach im Sauerland werden als Erinnerung an drei christianisierte Göttinnen gedeutet.28
Erst im 15./16. Jahrhundert übernimmt der Adel den volkstümlichen Dreijungfrauenkult von Fides, Spes und Caritas. Mancherorts erlebt er erst vom 17. bis zum 19. Jahrhundert eine Blütezeit. Das sagt jedoch nichts über Ursprung und Ausübung des Kultes aus: „So ist es falsch zu meinen, dass bei spät beginnender Verehrung nicht doch vorchristliche Vorstellungen einfließen können.“29
Auch Bilder von Anna-Selbdritt mit der Mutter Anna, Maria und dem Jesuskind haben Ähnlichkeit mit Matronenabbildungen, nur dass Jesus die Position der jungen Frau eingenommen hat. Die Stammmutter Anna ist meist als vornehme selbstbewusste Matrone dargestellt. Ihre jugendliche Tochter Maria steht oder sitzt neben ihr. Jesus hockt oftmals auf dem Schoß seiner Großmutter Anna.